- Samisdat
- Samisdạt[verkürzt von russisch samsebjaizdat »Selbstverlag«], Samizdạt [-z-], in Analogie zu russischer Abkürzung wie Gosisdat (»Staatsverlag«) gebildeter Begriff, der das seit Ende der 1950er-Jahre bis zur Politik der Perestroika M. S. Gorbatschows in der UdSSR bestehende Publikationssystem bezeichnet, in dem überwiegend literarische Werke, aber auch politische und religiöse Schriften ohne offizielle Druckgenehmigung, also auch ohne Zensur, verbreitet wurden. Da in der UdSSR sowohl Verlage als auch Vervielfältigungsmaschinen in Privatbesitz verboten waren, dienten die Schreibmaschine, das Abschreiben per Hand, Abfotografieren, Überspielen von Tonbändern und Kassetten und das Kopieren zur Vervielfältigung. Das Publizieren im Samisdat wurde als Verstoß gegen § 70 des Strafgesetzbuches der RSFSR (antisowjetische Agitation und Propaganda) mit Lagerhaft, Verbannung und Ausweisung bestraft; der gleichen Ahndung unterlagen Auslandspublikationen, als »Tamisdat« (russisch tam »dort«, »jenseits«) bezeichnet, die das sowjetische Publikum in kleinem Umfang in Buchform oder als Lesungen im westlichen Hörfunk erreichten; ein frühes Beispiel ist B. L. Pasternaks Roman »Doktor Živago« (italienisch 1957, russisch Ann Arbor, Michigan, 1959, deutsch 1958). Von fast allen in den 70er- und 80er-Jahren emigrierten Schriftstellern (A. I. Solschenizyn, W. J. Maksimow, W. P. Nekrassow, W. N. Wojnowitsch u. a.) kursierten Werke im Samisdat. Material des Samisdat wurde im Westen gesammelt, u. a. von Radio Liberty (München), vom »Kuratorium Geistige Freiheit« (Bern) und von der Alexander-Herzen-Stiftung (Amsterdam).Archiv Samizdata. Sobranie dokumentov samizdata, hg. v. Radio Liberty Committee, Research Department, Archiv Samizdata, Nr. 1-30 (München 1973-78, fortges. u. d. T. Materialy samizdata; unregelmäßig);H. G. Skilling: Samizdat and independent society in Central and Eastern Europe (Columbus, Oh., 1989);Neue Periodika u. Samizdat auf dem Territorium der Sowjetunion 1987-1991, bearb. v. E. Schemkova (1992);A. Suetnov: Samizdat, 2 Bde. (Moskau 1-21992);Samizdat, hg. v. V. Dolina u. a. (St. Petersburg 1993);
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Sa|mis|dạt, der; - [russ. samizdat, gek. aus: samoizdatel'stvo, eigtl. = Selbstverlag]: 1. Selbstverlag von Büchern, die nicht erscheinen dürfen: im S. publizieren. 2. im Selbstverlag erschienene [verbotene] Literatur in der ehemaligen UdSSR: Der Begriff der „zivilen Gesellschaft“ wurde schon zu Beginn der 80er-Jahre ... - zunächst im S. - in die Diskussion gebracht (FR 12. 3. 94, ZB 3).
Universal-Lexikon. 2012.